V. Festival Contemporáneo 2025 del Festival Internacional de Música de Canarias


José Luis Perdigón: Io
für sechs Stimmen (2025) UA
Carola Bauckholt: nein allein
für fünf Stimmen (1999/2000)
Salvatore Sciarrino: Madrigali
für fünf bis sieben Stimmen (2008)
Neue Vocalsolisten
Johanna Vargas, Sopran
Susanne Leitz-Lorey, Sopran
Helena Sorokina, Mezzosopran
Martin Nagy, Tenor
Guillermo Anzorena, Bariton
Andreas Fischer, Bass
Von allen Instrumenten ist die Stimme seit dem 20. Jahrhundert zweifellos eines der wichtigsten Arbeitslabore: Joan La Barbara, Cathy Berberian und Fátima Miranda sind nur einige Beispiele für die erweiterte Stimme. Dieses Programm präsentiert drei Möglichkeiten, die Stimme über die emotionale Übermittlung eines Textes oder ihre ornamentale Fähigkeit hinaus zu bewohnen und extreme Virtuosität zu erreichen, wie Wagner es uns lehrte. Salvatore Sciarrino greift das Madrigal der Renaissance auf und komponiert Miniaturen, die zum Ursprung der Stimme zurückkehren: »Wenn die Stimme sich der Stille hingegeben hat, bleiben nur der Mund, die Höhle, der Speichel«, sagt der Komponist. Und aus dieser elementaren Körperlichkeit kann man nur rekonstruieren. Viele seiner Madrigali erforschen Klänge, die so alt sind wie die Menschheit selbst: die Klage, das Schluchzen oder Artikulationen, die uns mit der Natur verbinden. Echos–der Klang von Bergen und Höhlen–Vogelgesang–vielleicht unsere älteste Musikform–und die gefürchtete Stille, die uns letztlich das Hören ermöglicht. Carola Bauckholts »Nein allein« spielt mit einer bekannten Tatsache: Manchmal ist es nicht so wichtig, was gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Deshalb erkundet das Werk verschiedene Arten, »Ja« und »Nein« zu sagen. Eine scheinbar einfache Geste, aber voller emotionaler, sozialer und politischer Nuancen: Es gibt keine neutrale Form der Rede.
José Luis Perdigón wiederum lädt uns ein, nicht nur darüber nachzudenken, wie Schall übertragen wird , sondern auch darüber, wohin er übertragen wird. Ausgangspunkt ist das Bild von Io, einem der Jupitermonde, auf dem intensive vulkanische Aktivität mit einer sehr dünnen Schwefeldioxidatmosphäre koexistiert. Schall existiert, weil hier auf der Erde Bedingungen für seine Ausbreitung herrschen. Doch wie wäre es, wenn sich diese Bedingungen ändern würden? Wie verhält sich Schall im Verhältnis zu anderen Landschaften, zur Luft und zu Körpern? Das Werk erzeugt eine Spannung zwischen dieser extremen atmosphärischen Fragilität und der in Sprache übersetzten vulkanischen Gewalt und suggeriert gleichzeitig die allgegenwärtige Möglichkeit, dass nicht alles wahrgenommen, gewusst oder verstanden werden kann. Manchmal bleibt Schall nur eine Andeutung, eine Spur.
(Marina Hervás/Originalbeitrag für das V. Festival Contemporáneo 2025 del Festival Internacional de Música de Canarias)

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