One line

Carola Bauckholt: nein allein

für fünf Stimmen

(1999/2000)

Das Werkverzeichnis der 1959 in Krefeld geborenen Komponistin Carola Bauckholt, die bei Mauricio Kagel studierte und viele Jahre an Aufführungen von Kagels »Instrumentalem Theater« beteiligt war, weist eine Vielzahl origineller musiktheatralischer Arbeiten auf. Mit einer von ihnen, nämlich dem 1999 in Berlin uraufgeführten Stück »Es wird sich zeigen«, hängt das ein Jahr später für die Wittener Kammermusiktage geschriebene Vokalwerk” nein allein” eng zusammenes ist eine Art Auskoppelung daraus. Bauckholt operiert in ihrer Musik immer wieder mit Alltagsbezügen und ironischen Pointierungen des Habituellen. Sprechend gewählt sind in dieser Hinsicht manche ihrer Stücktitel, etwa In gewohnter Umgebung, Treibstoff oder Vertraute Rätsel. Der Titel ihres Stückes nein allein für die Neuen Vocalsolisten deutet an, dass diese Tendenz auch hier fortgesetzt wird. Dabei ist der Text weit weniger dominant, als man es aus der Tradition der europäischen Vokalmusik kennt. Er ist, wie Carola Bauckholt selbst in ihrer Beschreibung des Kompositionsprozesses erläutert, auf ungewöhnliche Weise verankert: »Meist existierten Klang und Rhythmus zuerst, und dann kam das Wort. Dieser Vorgang war etwas absurd und spannend, denn plötzlich tauchte genau das Wort auf, das musikalisch und inhaltlich passte. Wenn nicht, musste ich weitersuchen oder herausfinden, woran es hakte. Der Text benennt meist das, was musikalisch passiert.« Die lapidare Alltagssprache des Stückes ist verschränkt mit einem durchaus existenziellen Anspruch: Imaginiert wird ein Mensch, der mit alltäglicher Sprache nicht nur hantiert, sondern ihr auch unweigerlich ausgesetzt ist. Seine psychische Befindlichkeit wechselt zwischen stark extrovertierten und eher introvertierten Momenten. Diese imaginierte ‘Person’ ist auf die fünf Sänger aufgefächert. Damit sagt das Stück freilich auch etwas aus über die Perspektiven kollektiven Singens und dessen Gefahr einer Verfestigung zur Floskelhaftigkeit und zur hohlen Affirmation. Mit bemerkenswerter Leichtigkeit und einem Gespür für ironische Spielarten des Dialektischen setzt sich Carola Bauckholts Musik, während sie sich dieser Floskelhaftigkeit bedient, über solche Momente hinweg. Zugleich erschließt sich gerade ein Werk wie nein allein, abseits vorgefertigter Rollen, einen ganz eigenen musiktheatralischen Raum.

(Jörn Peter Hiekel)