One line

Carola Bauckholt: Schraubdichtung

für Sprechstimme, Bassklarinette, Violoncello und Percussion

(19891990)

Schraubdichtung ist ein Sprechstück und wurde für eine von Christian Scholz heraus- gegebene Lautpoesie-Anthologie geschrieben. Einen Text im engeren Sinne gibt es nicht, statt Normal-Sprache finden nur Worte und Wortbruchstücke Verwendung. Es sind Begriffe, die dem Inventar eines Werkzeugkastens entlehnt und zu einer kleinen Laut-Geschichte gefügt sind. Zunächst hat die Schraube ihren Auftritt, die sogleich zum Schraubenzieher, Ergänzung und Gegenstück zugleich, erweitert wird. Folgt der Schleifstein, der faktisch und klanglich die Situation zuspitzt. Geräte mit sanfteren Gewinden, wie Flügelmutter oder Schraubbolzen nehmen die Stelle eines dolce-Teils ein, bevor sich durch eine Häufung von zischenden Konsonanten (sch, ch, ks) eine geräuschhaftere Passage anschließt. Dem schärferen Klang entsprechen die schärferen Werkzeuge: Stoßaxt, Stichaxt, Axt. »Die Schraubdichtung ist eine konkrete Untersuchung von Musik und Sprache. Worte werden hier in Musik übersetzt; es handelt sich um eine Instrumentation ihrer klanglichen Substanz«, so Carola Bauckholt.

 

Werkzeugbegriffe sind für eine Transformation ins Musikalische besonders geeignet: Werkzeuge erzeugen durch ihren Gebrauch Geräusche. Der Klang ihres Namens ist oft onomatopoetisch (Sch-l-a-i-f-sch-tain). Der klangliche Charakter des Namens assoziiert die Wirkung (der kurze harte Schlag der Axt). Und der Gebrauch von Werkzeugen ähnelt dem Gebrauch von Instrumenten, wie Carola Bauckholt es beschreibt: »Dieses handwerkliche Genre wird konkret musikalisch (durch Streichen, Reiben, Schlagen, Stoßen) wie auch kompositorisch (Zerhacken, Montieren, Ausfeilen) reflektiert.« Die musikalische Gestaltung ließ sich von Bedeutung und Klang der Worte leiten und ist eine Umsetzung der handwerklichen Klangsphäre in die Musikinstrumente. Die Doppeldeutigkeit der Klanghervorbringung offenbart auch die Doppelnatur der Instrumente, die nicht nur aufgrund ihrer Mechanik, sondern auch durch ihren Zweck Werkzeuge sind.

(Frank Hilberg)